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Schlossgeschichte

Das Schloss Evenburg in Leer ist ein einmaliges Gesamtkunstwerk im Nordwesten Deutschlands. Das Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung besteht aus dem Dreiklang Schloss, Park und Vorburg.

17. Jahrhundert

Bereits im Jahr 1642 wurde die erste Evenburg als barockes Wasserschloss von Oberst Erhard Reichsfreiherr von Ehrentreuter erbaut. Das aufwendig gestaltete Hauptgebäude ist auf einer Schlossinsel, die von einem breiten Wassergraben umgeben ist, errichtet worden. Abbildungen zeigen es als zweigeschossigen Backsteinbau mit beidseitig niedrigeren Anbauten auf einem Kellergeschoss. Die sehr qualitätsvolle Gestaltung im Stil des Niederländischen Klassizismus ist mit Bauten der bekannten niederländischen Architekten der Mitte des 17. Jahrhunderts wie Jakob van Campen, Philips Vingboons oder Pieter Post vergleichbar. Das Schloss benannte der Erbauer nach seiner Gattin Eva von Ungnad —„Evenburg“. Nur eine Generation später gingen die Besitztümer 1690 durch Heirat auf die Grafen von Wedel über. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vorburg errichtet. Es handelte sich ursprünglich um einen hufeisenförmigen Gebäudekomplex, der bis zum heutigen Tag in Teilen erhalten blieb. Das Portalgewände trägt die Jahreszahl 1650, die Tordurchfahrt wurde 1703 eingefügt.

19. Jahrhundert

Mitte des 19. Jahrhunderts war das Schloss für die Bedürfnisse der Bewohner zu klein und unmodern geworden. Carl Georg Graf von Wedel beauftragte den Hannoveraner Architekten Rudolf Stüve das Schloss Evenburg zu erweitern und umzubauen. Im Gutachten des Architekten heißt es, dass das Schloss sehr reparaturbedürftig und „dürftig eingerichtet“, manche Bauteile völlig baufällig seien. Lediglich vom Hautgebäude wurden die Umfassungsmauern, einige Zwischenwände und das Kellergewölbe für den Neubau verwendet. Im Vestibül fand der Blaustein-Marmorboden Wiederverwendung. Rudolf Stüve schlug für den Neubau den neugotischen Stil vor. Feingliedrige, schlanke aufstrebende Bauglieder und Formen und die spitzförmigen Fensterbögen sind hierfür charakteristisch. Das neue Schloss wurde in einer Rekordbauzeit von nur 2 Jahren errichtet. Endlich gab es genug Platz für Gäste in lichtdurchfluteten „Fremdenzimmern“ im Obergeschoss. Weitere Baumaßnahmen folgten. Die Evenburg erhielt bald eine Loggia neben dem Haupteingang und ein Nebengebäude, das sogenannte Radhaus, auf der Schlossinsel. Im Bereich der Vorburg wuchsen Remisen und Unterkünfte. Ab 1864 begann der Bau der Gewächshäuser zur Anzucht von Ananas und Wein. 1865 wurde ein Gulfhaus für den Meierhof errichtet, das das Herrenhaus an Größe übertraf und auch die landwirtschaftliche Bewirtschaftung der gräflichen Flächen auf ein neues Niveau heben sollte. Es folgte 1869 der Bau einer Villa im Königlichen Seebad Norderney. 1891 konnte dank des finanziellen Engagements des Grafen die lutherische Friedenskirche in Loga geweiht werden. Im Amt Friedeburg wurde der Carl-Georgs- Forst angelegt.

20. Jahrhundert

In den 1930er Jahren verlegten die von Wedels ihren Hauptwohnsitz nach Schloss Gödens, wo die Familie bis heute wohnt. Seitdem setzte der bauliche Niedergang des Schlosses ein. Wegen fehlender Geldmittel in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und des hohen Unterhaltungsaufwandes wurden nach und nach die filigranen Staffelgiebel, Zinnen, Türmchen und das Dach vereinfacht bzw. zurückgebaut. Ein Zeitdokument aus dem Jahre 1938, niedergeschrieben auf einer Dach-Schieferplatte, belegt dies. Der damals mit Sanierungsarbeiten beauftragte Dachdecker Johann Krull aus Leer beschreibt, dass die Dachschiefer abgerissen, die Zinnen beseitigt und das Dach 80 cm verlängert und mit Dachrinnen versehen wurde. Eine weitere Vereinfachung der Dachgestaltung und der Fassaden erfolgte beim Wiederaufbau zur Beseitigung der Kriegsschäden in den 1950er Jahren. Es folgte eine Nutzung als Lazarett, Flüchtlingsunterkunft und später als Internat der Melkerschule, die von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems eingerichtet wurde. Das Vieh für die Ausbildung stand auf dem Meierhof. 1975 kaufte der Landkreis Leer das Schloss, den Meierhof und die dazu gehörenden rd. 110 Hektar landwirtschaftliche Fläche für 7 Millionen DM. Kurz danach fand eine erste Sanierung durch den Landkreis Leer zur reinen Substanzerhaltung des Schlosses und der Vorburg statt. Viel Sorgfalt wurde für die Restaurierung der Intarsien der schweren Eichentüren im Vestibül verwendet. Die Vorburg wurde generalüberholt, der Glockenturm über der Tordurchfahrt erneuert und der Westflügel für die Nutzung der Kreismusikschule umgebaut. Dabei ist auch ein repräsentativer Konzertsaal entstanden. In dieser Zeit beherbergte die Evenburg neben dem Ausbildungsseminar für Lehramtsanwärter, die Berufsakademie Ostfriesland e.V. (BAO) und die Kreisbildstelle, die Ende der 1990er Jahre ausgelagert wurde.

21. Jahrhundert

Im September 2004 wurde mit den Restaurationsarbeiten im Eingangsbereich des Schlosses begonnen. Der Jagdfries und die Vorhangmalerei im oberen Treppenhaus waren verborgen unter Farbe zu ca. 65 % erhalten, so dass lediglich ein Teil der Wände farblich restauriert werden mussten. Es folgte der Festsaal und auch hier fanden sich unter einem Schrank im Erker zwei Quadrate des originalen Holzfußbodens und so konnte das Sternparkett wieder hergestellt werden. Im Jahre 2005 wurde mit der Rekonstruktion der abgebrochenen neugotischen Dachausbildung begonnen. Hierbei wurde anhand alter Zeichnungen und Fotos und den noch vorhandenen Profilierungen an den unbeschädigten Fassadenelementen eine sehr detailgetreue Rekonstruktion durchgeführt. Die Proportionen des gesamten Gebäudes konnten so wieder hergestellt werden. Die farbige Gestaltung entspricht dem alten Farbton, der in Fensternischen vorgefunden wurde. Das Familienwappen der von Wedels am Hauptturm wurde entsprechend den heraldischen Vorgaben farbig überarbeitet. Die beiden Stammwappen jeweils seitlich oberhalb der Haupteingangstür zeigen links das Wappen der Grafen von Wedel und rechts das Stammwappen der adligen Familie von Wangenheim. Das Schloss wurde 2007 Teils der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, zum anderen Teil vom Ausbildungsseminar für Lehramtsanwärter und von der Berufsakademie Ostfriesland e.V. genutzt. Beide Institutionen verließen 2009 bzw. 2011 das Schloss, so dass der Weg frei wurde für die Sanierung und Restaurierung der restlichen Räume.

Seit Mai 2014 ist die Evenburg mit einer Dauerausstellung zum Leben und Wirtschaften einer adligen Familie im 19. Jahrhundert und als Zentrum für Gartenkultur geöffnet.